
Heidelberg/ Deutschland - Die Frage danach, ob sich die Einschlagwahrscheinlichkeit großer Asteroiden und Kometen auf der Erde mit der Zeit verändert, ist für Wissenschaftler nicht nur von theoretischem Interesse. Diese Information ist auch interessant, um die Gefahr abschätzen zu können, die der Erde derzeit von katastrophalen kosmischen Einschlägen droht. Forscher des "Max-Planck-Instituts für Astronomie" (mpia.de) haben nun den modernen Mythos widerlegt, wonach es Belege für periodische Variationen dieser Einschlagwahrscheinlichkeit geben soll und diese einen Begleitstern unserer Sonne (Nemesis) belegen.
"Seit Mitte der 1980er-Jahre haben eine Reihe von Autoren behauptet, periodische Variationen der Einschlagwahrscheinlichkeit gefunden zu haben", erläutert die Pressemitteilung des MPIA. "Aus den Kenndaten der auf der Erdoberfläche bekannten Krater – wichtig sind vor allem die Altersabschätzungen –, leiten sie ein regelmäßiges Muster ab, in dem die Einschlagwahrscheinlichkeit über Millionen Jahre hinweg periodisch zu- und wieder abnimmt; die Werte variieren dabei zwischen 13 und 50 Millionen Jahren.
Einer der Mechanismen, die für solch periodische Variationen vorgeschlagen wurden, ist die Bewegung unseres Sonnensystems relativ zur Scheibenebene unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. Bei dieser Bewegung verändert sich der (sehr geringe) Schwereeinfluss, den die umliegenden Sterne auf die Objekte in der Oort'schen Wolke ausüben - einer gigantischen Ansammlung riesiger Brocken aus Eis und Staub, die das Sonnensystem im Abstand von rund einem Lichtjahr umhüllt. Aufgrund dieser Veränderungen verlassen einmal mehr, dann wieder weniger Objekte die Oort'sche Wolke und machen sich als Kometen auf den Weg in das innere Sonnensystem.
Noch spektakulärer ist die von einigen Forschern vertretene Annahme, unsere Sonne besäße einen bisher noch nicht direkt nachgewiesenen Begleitstern, der auf den Namen "Nemesis" getauft wurde (...wir berichteten). Benannt nach der griechischen Rachegöttin, soll Nemesis auf einer lang gestreckten (exzentrischen) Umlaufbahn wandern, die sie mit der Zeit immer wieder in die Nähe der Oort'schen Wolke führen und dadurch wiederum die Anzahl der Kometen beeinflussen würde, die Kurs auf die Erde nehmen."
Für Coryn Bailer-Jones vom Heidelberger "Max-Planck-Institut für Astronomie" weisen diese Ergebnisse jedoch nicht auf bisher unentdeckte kosmische Phänomene hin, sondern auf subtile Probleme bei der Anwendung herkömmlicher ("frequentistischer“) Statistik. "Die Menschen neigen dazu, Muster zu sehen, die gar nicht existieren. Und in manchen Situationen kann traditionelle Statistik den Anwender leider in dieselbe falsche Richtung führen.“
Aus diesem Grund wählte Bailer-Jones eine andere Methode, Wahrscheinlichkeiten zu berechnen: die sogenannte Bayes'sche Statistik, mit der sich bei der Analyse der Kraterdaten die Probleme der traditionellen Statistik vermeiden lassen. Seine Untersuchung konnte einfache periodische Variationen anhand der verfügbaren Daten mit großer Sicherheit ausschließen.
"Stattdessen zeigen die Daten eine allgemeine Tendenz: Von vor rund 250 Millionen Jahren bis zur Jetztzeit hat die Einschlagwahrscheinlichkeit, abgeschätzt anhand der zu verschiedenen Zeiten entstandenen, heute noch nachweisbaren Krater, stetig zugenommen. Dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen:
Erstens könnte es sich schlicht um einen Auswahleffekt handeln. Kleinere Krater erodieren schneller und sind nach einer gewissen Zeit nicht mehr auffindbar. Und ältere Krater haben generell mehr Zeit zu erodieren und sich wieder mit Material zu füllen als jüngere. Mit anderen Worten: Die nachgewiesene Tendenz kann schlicht darauf beruhen, dass wir größere, jüngere Krater einfacher nachweisen können als kleinere, ältere. Wenn wir nur Krater betrachten, die größer als 35 Kilometer und jünger als 400 Millionen Jahre sind und bei denen die Erosion daher eine geringere Rolle spielt, finden wir keine solche Tendenz."
Andererseits könnte zumindest ein Teil des Anstiegs real sein. "Es gibt Untersuchungen an Einschlagskratern auf dem Mond, die einen ähnlichen Trend zeigen. Dort spielen die auf der Erde vorherrschenden Erosionsmechanismen keine Rolle."
Was immer sich als Grund für den in den Daten sichtbaren Trend herausstellen mag – einfache periodische Variationen wie im Nemesis-Modell lassen sich demnach anhand von Bailer-Jones' Analyse ausschließen: "Die Kraterdaten, die wir haben, geben keine Hinweise auf die Existenz von Nemesis. Was bleibt ist die interessante Frage, ob die Einschlagwahrscheinlichkeit über die vergangenen 250 Millionen Jahre zugenommen hat oder nicht“, so der Wissenschaftler.
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Quellen: mpia.de / grenzwissenschaft-aktuell.de