
Kreuzförmige Felsritzungen in der Gorham-Höhle auf Gibraltar. | Copyright: The Gibraltar Museum/ Clive Finlayson
Gibraltar - In der Gorham-Höhle auf Gibraltar haben Archäologen Felsritzungen und Gravuren entdeckt, die sie Neandertalern zuschreiben. Bislang glaubte man, dass erst der moderne Mensch dekorative Kunstwerke erschuf. Die Felsgravuren datieren die Forscher auf ein Alter von mehr als 39.000 Jahren und stützen damit die schon 2012 erstmals geäußerte Theorie, dass schon die Neandertaler Kunstwerke an Höhlenwänden hinterlassen haben.
Wie das internationale Team um Ruth Blasco und Clive Finlayson vom Gibraltar-Museum aktuell im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS; DOI: 10.1073/pnas.1411529111) berichtet, fanden sich die kreuzartigen Gravuren auf einer natürlichen Plattform in der zum Meer hin geöffneten Gorham-Höhle, die schon lange als einstige Behausung von Neandertalern bekannt ist.
Mit einem Alter von mehr als 39.000 Jahren stammen die Felsritzungen also aus einer Zeit, als der moderner Mensch (Homo sapiens) noch nicht auf Gibraltar angekommen war. Weitere Funde von Werkzeugen in der Deckschicht der Höhle ordnen die Forscher der "Moustérien-Kultur" der Neandertaler zu.

Der Eingang zur Gorham-Höhle auf Gibraltar. | Copyright: The Gibraltar Museum/ Clive Finlayson
Auch, dass die Gravuren unbeabsichtigt entstanden und somit keine weitere Bedeutung haben, schließen die Forscher aus, da Versuche mit dem Höhlen-Kalkstein und spitzen Steinen für die Fleischverarbeitung eine gänzlich andere Art von Rillen hinterließ als die gefundenen Gravuren. Es handele sich also wahrscheinlich vielmehr im weitesten Sinne um Dekor also um Gebrauchsspuren.
Um das vorgefundene Muster in Versuchen mit vorhandenen Materialien zu reproduzieren, benötigten die Forscher für die tiefsten Rillen mindestens 54 Schläge. Das Gesamtbild wurde erst mit 317 Schlägen erreicht - ein weiterer Grund, weshalb die Wissenschaftler von einem absichtlich in die Wand gebrachten Muster ausgehen. Somit scheinen Tiefe und Länge der Rillen auf ein zielgerichtetes Wirken des einstigen Neandertaler-Künstler hinzudeuten.
Während die meisten Anthropologen ausschließlich moderne Menschen als Schöpfer der ersten Höhlenmalereien und Gravuren sehen, zweifelte schon eine 2012 veröffentlichte Studie an dieser Vorstellung. Mit einer Neudatierung von Hand-Negativen und symbolischen Darstellungen in nordspanischen Bilderhöhlen auf ein Alter von mindestens 40.800 Jahren rückten die Forscher seither die Neandertaler als früheste Künstler überhaupt in den Blickpunkt (...wir berichteten).
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Quelle: pnas.org