
Vatikan - In einem neuen Buch beschreibt die Mittelalterexpertin Barbara Frale ihre Entdeckungen in den Prozessakten der heiligen Inquisition. Hieraus geht demnach hervor, dass das bekannte und viel diskutierte "Turiner Grabtuch", das den mysteriösen Abdruck des Leichnams Jesu zeigen soll, rund 150 Jahre von den Tempelrittern verwahrt worden war. Mit diesen Informationen würde sich eine Lücke in der Aufbewahrungsgeschichte der Reliquie schließen, die nach den Kreuzzügen 1204 hundert Jahre lang als verschollen galt.
Aus einem jetzt vorab in der Vatikanzeitung "Osservatore Romano" veröffentlichten Auszug des für Sommer 2009 angekündigten Buches geht hervor, dass die Forscherin in den Inquisitionsakten zur Auflösung des einst mächtigen Templerordens im Jahre 1314 auf eine Beschreibung gestoßen ist, wonach die Tempelritter das Bildnis eines Bärtigen anbeten sollen. Für Barbara Frale ist sich sicher, dass es sich dabei um das seit kurz nach seiner Auffindung während der Plünderung von Konstantinopel durch die Kreuzfahrer gefundene und unmittelbar danach wieder verschollene Grabtuch Christi handelt. Erst 150 Jahre später tauchte es erneut bzw. erstmalig wieder auf. Die Zeit, in der es als verschollen galt wird von Kritikern der Ansicht, das es sich tatsächlich um eine Reliquie Christi und somit ein auf übersinnliche Weise entstandenes Abbild auf dem Leinen handelt, als ein Argument gegen die Authentizität angebracht.
Als Beleg für die allerdings nicht ganz neue These, wie sie schon seit den 1970er Jahren von dem Oxford-Historiker Ian Wilson diskutiert wird, beruft sich Frale auf die Zeugenaussage eines jungen französischen Adligen aus den Prozessakten im vatikanischen Geheimarchiv. So berichte Arnaut Sabbatier von seiner Initiation beim Eintritt in den Orden im Jahre 1287, in deren Verlauf ihm "an einem geheimen Ort der Abdruck eines Mannes auf einem langen Leinen" gezeigt wurde, dessen Füße er dreimal habe küssen müssen.

Das Motiv der Verehrung des Grabtuches lag laut Frale für Templer darin, dass sie mit dem Leinen die Leiblichkeit Christi beweisen wollten, wie sie von anderen Glaubensgemeinschaften wie beispielsweise den Katharern abgestritten wurde, die glaubten, Jesus habe keinen physischen Leib, sondern nur die Erscheinung eines Menschen besessen.
2003 war die Frale im Geheimarchiv des Vatikan auf das so genannte "Chonon-Pergament", den Prozessakten gegen die Templer gestoßen, dass zuvor Jahrhunderte lang falsch katalogisiert und abgelegt worden war. Aus den Aufzeichnungen geht zudem hervor, dass Papst Klemens V. wider besseren Wissens und nur unter dem Druck des französischen Königs handelte, als er den Orden brutal auflösen und seine Mitglieder foltern und hinrichten ließ. Das Pergament belegt statt dessen, wie sich der Papst gezwungen gesehen habe, die Tempelritter nach den Anhörungen um Vergebung zu bitten, so Professor Barbara Frale (...wir berichteten).
Hintergrund
Die deutsche Wikipedia fasst die vorgeschlagene Geschichte des heute als "Turiner Grabtuch" in der Kathedrale von Turin aufbewahrten Leinen wie folgt zusammen:
Besonders der englische Autor von Büchern mit Thematik im religiösen und wissenschaftlichen Grenzbereich Ian Wilson vertritt seit 1978 die These, dass das Turiner Grabtuch mit einem Tuch in Konstantinopel identisch sei, von dem der Geschichtsschreiber und Kreuzzügler Robert de Clari 1204 berichtete, es sei als Grabtuch in der Marienkirche des neuen Blachernen-Palastes aufbewahrt worden und jeden Freitag so ausgestellt gewesen, dass der vollständige Abdruck des Herrn sichtbar war.
Dieses wiederum, so die These, sei mit dem Abgar-Bild identisch, einem Tuchbildnis mit einem Gesichtsabdruck Christi aus Edessa in Mesopotamien, das erstmals im 6. Jahrhundert erwähnt wurde und laut verwendeter Quelle nicht von Menschenhand geschaffen worden sei. Das Turiner Grabtuch sei damals so gefaltet worden, dass nur der Gesichtsabdruck zu sehen war. Im Jahr 944 war eine Byzantinische Armee ausgesandt worden, um dieses Tuchbildnis von Edessa nach Konstantinopel zu bringen.[12] Als während des 4. Kreuzzuges 1204 die Kreuzritter Konstantinopel plünderten, verschwand das Abgar-Bild. Als ein Beleg für die Identität zwischen Abgar-Bildnis und Grabtuch wird meist ein im Jahre 1943 zerstörter und heute nur noch in Abschrift vorhandener Kodex angegeben, wonach im Jahr nach der Plünderung ein Verwandter des byzantinischen Kaisers die Rückgabe des Tuches von Papst Innozenz III. forderte, welches sich seiner Ansicht nach jetzt in Athen befände:
'Die Gallier erhielten die Heiligenreliquien, dessen allerheiligster Teil das Tuch ist, in das unser Herr Jesus Christus nach seinem Tod und vor seiner Auferstehung gewickelt wurde. Wir wissen, … dass das heilige Tuch in Athen verwahrt wird' (Codex Chartularium Culisanense, copia, fol. CXXVI)
Der burgundische Adlige Othon de la Roche hatte damals in Athen einen Kreuzfahrerstaat (Herzogtum Athen) gegründet, vorher soll er mit seinen Rittern den Blachernen-Palast gestürmt haben. Auf das Plündern von Reliquien stand die Todesstrafe und deswegen vermuten viele Historiker, dass er dieses Grabtuch den in Athen verweilenden Templer-Rittern überlassen habe. Geoffroy de Charny, der das Turiner Grabtuch 1357 in seiner Stiftskirche der Öffentlichkeit zugänglich machte, war der Enkel eines Templer-Ritters.
Widersprochen wurde dieser These der Identität des Abgar-Bildes mit dem Turiner Grabtuch schon vor der Radiokarbondatierung von Averil Cameron, Expertin für Spätantike und Byzantinische Geschichte. Sie argumentiert, dass die Unterschiede in den historischen Quellen bezüglich der Dimensionen und der Beschaffenheit des Abgar-Bildes zu groß seien, um es mit dem Turiner Grabtuch identifizieren zu können. Weiterhin kommt sie zu dem Ergebnis, dass das Abgar-Bild ein Artefakt sei, welches seinen Ursprung in dem Widerstand zum Ikonoklasmus hat.
>>>WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA<<<
Oxford Universität will Turiner Grabtuch erneut untersuchen
21. August 2009
Neue Indizien für Turiner Grabtuchforschung durch Tuchfund in der judäischen Wüste?, 1. Juni 2008
Neue Scans: Turiner Grabtuch in höchster Auflösung, 23. März 2008
Oxford-Professor: Radiokarbondatierung des Turiner Grabtuches möglicherweise falsch, 26. Februar 2008
Bücher zum Thema:
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Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / osservatoreromano.va / wikipedia.de