
Exeter/ England - In einer aktuellen Studie kommt Edzard Ernst, Professor für Komplementärmedizin an der "Peninsula Medical School" in Exeter zu dem Schluss, dass falsch gesetzte Akupunkturnadeln gerade bei der Behandlung von Herz- und Lungenbeschwerden in den vergangenen 45 Jahren in weltweit Dutzenden Fällen zum Tod der Patienten geführt haben. Die "Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur e.V." sieht derartige Gefahren in Deutschland nicht gegeben und widerspricht zugleich einer verallgemeinernden Warnung vor der Anwendung der traditionellen Methode, die sich besonders in der Schmerzbehandlung bewährt.
In seiner Revision zurückliegender Quellen, fand Ernst insgesamt 86 Fälle, in welchen die falsche Behandlung aufgrund angestochener Lungen und Herzen, verletzter Arterien, Lebern, Nerven und durch Infektionen aufgrund schlecht sterilisierte Nadeln zum unmittelbaren Tod der Patienten nach der Behandlung geführt hatte.
Die Todesfälle betrafen Patienten zwischen 26 und 82 Jahren. Der Großteil der durch falsch gesetzte Akupunkturnadeln hervorgerufenen Fälle habe sich in China oder Japan ereignet. Es seien allerdings auch einige wenige Fälle aus den USA, Deutschland und Australien bekannt. Die Dunkelziffer, so zitiert der britische "The Guardian" den Mediziner, könne sehr viel höher und die bekannten Fälle "nur die Spitze des Eisbergs darstellen". Bei einigen Fällen handele es sich bei der Einschätzung, dass die zuvor verabreichte Akupunktur den Tod des Patienten verursacht habe, allerdings auch nur um eine nicht weiterführend begründete ärztliche Vermutung.
In den meisten Fällen sei die Todesursache ein Pneumothorax gewesen, ein Zustand, bei dem Luft zwischen die Membranen gerät, welche die Lunge von der Brustwand trennen, und zu einem Lungenkollaps führen kann.
Wie Ernst aktuell in der Fachzeitschrift "International Journal of Risk and Safety in Medicine" erläutert, "sind derartige Todesfälle vermeidbar und ermahnen erneut an die Notwendigkeit einer fundierten Ausbildung aller Anbieter von Akupunkturbehandlungen".
Zwar schließt sich die "Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur e.V." (DÄGfA, daegfa.de) dieser Forderung an, lehnt zugleich jedoch eine Verallgemeinerung des Studienergebnisses auf die Akupunktur als vermeintlich lebensgefährliche Anwendung strikt ab. Gerade in Deutschland werde Akupunktur in der Regel von gut ausgebildeten Ärzten durchgeführt und sterile Einmalnadeln aus Edelstahl verwendet.
Eine erhöhte Anzahl von negativen Auswirkungen bis hin zu Todesfällen in Ländern wie Japan und China ist für den 1. Vorsitzender der DÄGfA, Dr. med. Wolfram Stör, hingegen im Zusammenhang damit zu sehen, "dass in Japan Akupunktur mehrheitlich von Laien und etwa im China unter Mao oft auch von Barfußärzten durchgeführt wurde", also von Personen, deren medizinische geschweige denn ärztliche Ausbildung oft gerade einmal den Minimalanforderungen entsprachen. In beiden Fällen seien die Akupunkteure keinen Vorschriften oder gar Kontrollen zur Einhaltung medizinischer Standards unterworfen.
Um sich in Deutschland "Akupunktur-Arzt/Ärztin" nennen zu dürfen, ist eine spezielle Ausbildung erforderlich. In vielen Bundesländern sind für die Grundausbildung insgesamt 200 Stunden Theorie- und Praxiskurse sowie eine Prüfung bei der jeweiligen Landesärztekammer notwendig. Ein weiteres Diplom kann nach zusätzlichen 150 Fortbildungsstunden erworben werden, erläutert die DÄGfA, auf deren Homepage "www.daegfa.de" auch Adressen erfahrener Akupunktur-Ärzte/Ärztinnen über eine Arzt-Suchfunktion gefunden werden können.
"Wie bei vergleichbaren schulmedizinischen Behandlungen ist der Pneumothorax natürlich auch in der Akupunktur ein bekanntes Risiko, auf welches in der Akupunkturausbildung gezielt hingewiesen und darauf eingegangen werde. Als solches erkannt, ist das Krankheitsbild jedoch erfolgreich behandelbar, ohne dass es zum Tod des Patienten führt. Selten bedarf es überhaupt einer Krankenhausbehandlung", so Stör.
Da Akupunktur besonders erfolgreich auch bei der Schmerzbehandlung Anwendung findet und als solche auch zunehmend in der wissenschaftlichen Medizin eingesetzt und durch Studien belegt wird (...wir berichteten), hebe sich die Akupunktur gegenüber der schulmedizinischen Behandlung mit herkömmlichen Schmerzmitteln nicht nur als kostengünstige sondern auch nahezu nebenwirkungsfreie und zugleich erfolgreiche Behandlungsmethode hervor, so Stör im einem ersten Kommentar zur aktuellen Studie gegenüber "grenzwissenschaft-aktuell.de".
Jedes Jahr sterben alleine in Deutschland viele Patienten an den Nebenwirkungen von Schmerzmitteln und laut Ärztezeitung vom 15.4.2010 sterben jährlich etwa 14.000 Intensivpatienten an den Folgen einer im Krankenhaus erworbener Infektionen. "Es gab um 1987 einen spektakulären Fall, bei dem ein Heilpraktiker in Frankreich den Tod eines Patienten durch völlige anatomische Unkenntnisse verursacht hatte. Für Deutschland sind der DÄGfA (die seit 1951 besteht) keine Todesfälle bekannt".
"In den Studien der deutschen Krankenkassen aus den Jahren 2002 bis 2006, den weltweit größten Studien zur Akupunktur, erwies sich diese als extrem sichereres und nebenwirkungsarmes Verfahren. Eine Studie konnte sogar zeigen, dass akupunktierte Patienten länger leben!"
"Jede Form einer medizinischen Behandlung kann falsch ausgeführt werden und dann zu Komplikationen führen", so Stör weiter. "Faktische Zahlen und selbst Studien zur Sicherheit der (korrekt angewendeten) Akupunktur erlauben es ganz sicher nicht, anhand von zusammengetragenen vorgelegten Einzelfällen eine verallgemeinernde Gefahr durch Akupunktur herbeizureden."
Wissenschaftlich sei eine derartige Argumentation völlig unhaltbar: "Kein Mensch würde beispielsweise alle Zwischenfälle bei Blinddarmoperationen weltweit seit 150 Jahren zusammenfassen, um dann 'vor der Spitze eines Eisberges' zu warnen und von Blinddarmoperationen abraten."
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Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / iospress.metapress.com / daegfa.de / guardian.co.uk