
Ithaca/ USA - Eine vom angesehenen Fachmagazin "Journal of Personality and Social Psychology" zur Veröffentlichung akzeptierte Studie des ebenfalls angesehenen US-Psychologen Dr. Daryl J. Bem sorgt erwartungsgemäß schon vor ihrer Publikation für einen empörten Aufschrei in der Gemeinde konservativer Naturwissenschaftler - behauptet Bem doch, in seinen Studien einen wissenschaftlichen Nachweis dafür erbracht zu haben, dass unser Gehirn die Fähigkeit besitzt, nicht nur die Vergangenheit zu reflektieren, sondern auch zukünftige Ereignisse vorherzusehen (...wir berichteten vorab).
Nachdem eine Vorabveröffentlichung der Studie in Wissenschaftskreisen publiziert wurde, hat deren angesetzte Veröffentlichung in einem der höchst angesehenen Psychologie-Journale in den vergangenen Wochen teilweise für Empörung, jedoch zumindest zu hitzigsten Diskussionen unter Kollegen und Wissenschaftsvertretern gesorgt.
In seiner Studie beschreibt der emeritierte Professor von der "Cornell University" (CU) insgesamt neun Experimente, die er in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt hatte und deren Ergebnisse und dabei beobachteten Effekte nahe legen, dass selbst gewöhnliche Menschen in der Lage sind, zukünftige Ereignisse vorherzusehen - bewusst oder unbewusst (...wir berichteten).
"Das ist eine absolute Verrücktheit. Ich kann es nicht glauben, dass eines der wichtigsten Journale eine solche Arbeit akzeptiert. (...) Das ist eine große Peinlichkeit für den gesamten Forschungszweig", ereifert sich beispielsweise der ebenfalls emeritierte Psychologieprofessor von der "University of Oregon" Ray Hyman gegenüber der "New York Times".
Der Chefredakteur des Fachmagazins, der Psychologe Charles Judd von der "University of Colorado", verteidigt hingegen die Entscheidung zur Veröffentlichung: "Vier Gutachter haben die eingereichte Studie überprüft und ihre Kommentare zu dem Manuskript abgegeben. Hierbei handelt es sich um vertrauenswürdige Kollegen und alle vier haben entschieden, dass der Artikel die Standards unseres Journals erfüllen."
Indes geht der Hyman sogar soweit, Bem einen Schwindel zu unterstellen - Bem habe schließlich einen großartigen Sinn für Humor: "Ich würde nicht ausschließen, dass es sich hierbei um einen ausgefeilten Scherz handelt."
Deutlich seriöser setzten sich hingegen die Kritiker von Bems Studie in der ebenfalls im Fachmagazin veröffentlichten Kritik mit den Ergebnissen und deren Interpretation auseinander. Die Autoren um Eric-Jan Wagenmakers von der "Universiteit van Amsterdam" haben Bems umfangreiche Datensätze einer erneuten statistischen Überprüfung unterzogen und sehen darin keinen Beweis für die Fähigkeit zur Vorahnung. Die angewandten Statistik-Methoden und -techniken seien demnach zu schwach, zu dehnbar und erlauben zudem nicht nur die eigene, sondern auch die Verwirrung anderer Forscher, so die Kritik.
Entsprechende Kritik geradezu "vorhersehend" hat Bem seine Experimente nach bester wissenschaftlicher Praxis jedoch absichtlich derart angelegt, dass die auch von anderen Wissenschaftlern wiederholt werden können. Dieser Aufforderung sind tatsächlich auch schon drei einige Kollegen gefolgt, erklärten jedoch, dass sie nicht in der Lage waren, Bems Ergebnisse zu reproduzieren. Weitere von Bem unabhängige Überprüfungen seiner Experimente stehen derweil noch aus: "Ich habe hunderte von Anfragen nach meinen Daten und Materialien erhalten, die meine Experimente überprüfen wollen", so Bem.
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Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / nytimes.com