
München/ Deutschland - Große Studien haben die Akupunktur bei bestimmten Schmerzformen bereist salonfähig gemacht. "Doch bei anderen Schmerzarten, etwa Muskel- und Nackenschmerz wird sie nicht eingesetzt, obwohl wir in Studien gezeigt haben, dass sie der konventionellen Behandlung überlegen ist“, bedauert Dr. Dominik Irnich, Ärztlicher Leiter der interdisziplinären Schmerzambulanz der Ludwig-Maximilians-Universität München auf dem Deutschen Schmerz- und Palliativtag 2011 in Frankfurt.
- Bei der folgenden Meldung handelt es größtenteils sich um eine Pressemitteilung der "Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V.", dgschmerztherapie.de
Seit vor neun Jahren das weltweit größte naturheilkundliche Forschungsprojekt "Modellvorhaben Akupunktur der 10 Ersatzkassen" zu dem Schluss kam, dass Akupunktur bei über 70 Prozent der behandelten Patienten Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen lindert und damit die Integration der Akupunkturbehandlung in die Regelversorgung anstieß, boomt die fernöstliche Nadeltechnik.
Das gelte allerdings nur für jene Indikationen, bei denen die gesetzlichen Krankenkassen eine Nadelbehandlung bezahlen: chronische Rückenschmerzen und Kniearthrose, berichtet die "Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V." (dgschmerztherapie.de) in einer aktuellen Pressemitteilung.
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"Man kann sagen, dass die Akupunkturbehandlung in den von den Kassen bezahlten Indikationen inflationär angestiegen ist. In allen anderen Bereichen, beispielsweise bei Nacken- oder Muskelschmerzen, spielt sie praktisch keine Rolle – obwohl wir in Studien gezeigt haben, dass sie der konventionellen Behandlung überlegen ist", bedauert Dr. Dominik Irnich, Ärztlicher Leiter der interdisziplinären Schmerzambulanz der Ludwig-Maximilians-Universität München.
So fehle die Akupunktur beispielsweise in vielen Versorgungsverträgen, auch die Behandlungsleitlinien gewichten die Akupunktur nur schwach. "Wir bedauern sehr, dass die Akupunktur nicht einmal in der 'Nationalen Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz' genügend berücksichtigt wurde", kommentiert auch Dr. Thomas Cegla vom "Zentrum St. Josef" in Wuppertal. Laut dem Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. ist die Akupunktur mittlerweile "ein wichtiger Bestandteil in der multimodalen Schmerztherapie und nicht nur bei chronischem Rückenschmerz und arthrosebedingtem Knieschmerz sehr erfolgreich, sondern darüber hinaus bei chronischen Schmerzen im Schulter-, Kopf- und Gesichtsbereich.“
Die fernöstliche Nadelbehandlung lindere in Ergänzung zu konventionellen Therapiestrategien nicht nur chronische Rückenschmerzen, sondern auch die häufig damit einhergehenden Depressionen deutlich wirksamer als die konventionellen Strategien allein. Das bestätigt auch eine aktuelle Metastudie des australischen "Nationalen Institutes für komplementäre Medizin". Als alleinige Methode erwies sich jedoch auch die Akupunktur hierbei als zeitlich nur sehr begrenzt wirksam.
Überraschend positive Ergebnisse lieferte im letzten Jahr eine Vergleichsstudie, bei der ein Forscherteam um Albrecht Molsberger an der "Ruhr-Universität Bochum" die Erfolge der Akupunkturbehandlung mit der konventionellen orthopädischen Therapie verglich. Hierbei teilten die Forscher 424 Patienten mit chronischem Schulterschmerz in drei Gruppen ein: Eine Gruppe bekam 15 "echte" Akupunkturbehandlungen (es wurden echte Akupunkturpunkte gestochen) die zweite Gruppe unterzog sich 15 Scheinakupunkturbehandlungen, die dritte Gruppe bekam konventionelle Therapie, bestehend aus Physiotherapie und Schmerzmitteln. Das Fazit: Bei mehr als drei Viertel der Akupunkturpatienten war der Schmerz noch drei Monate nach der Behandlung mehr als halbiert worden. Über so gute Ergebnisse konnte sich nach konventioneller Behandlung nicht einmal die Hälfte der Studienteilnehmer freuen. Die geringste Schmerzlinderung erfuhren jene Patienten, die eine Scheinakupunktur bekommen hatten.
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Zwar belaste eine Akupunkturbehandlung bei Indikationen, für deren Behandlung die Kassen die Kosten nicht übernehmen, das private Portemonnaie mit 25 bis 50 Euro pro Sitzung, doch für viele Patienten wäre dies dennoch kein Grund, die Therapieform abzulehnen. "Offenbar", so die Pressemitteilung, "verschreiben Ärzte, ohne Alternativen vorzuschlagen – quasi reflexartig – zunächst Schmerzmittel. Das legt eine Umfrage nahe, bei der 332 Ärzte - Schmerztherapeuten, Rheumatologen und Orthopäden - einen Fragebogen über die Behandlung von Muskelschmerzen in ihrer Praxis ausfüllten. Das Fazit: Medikamente wie Ibuprofen und Diclofenac wurden zwar von den Ärzten als wenig wirksam eingeschätzt, aber dennoch häufig angewendet." Hingegen "wurde die Akupunktur als effektiv eingestuft, aber selten genutzt“, so Irnich.
Die Nachfrage nach Akupunktur ist bei Patienten und Ärzten deutlich angestiegen. Da die zunächst festgesetzten 200 Ausbildungseinheiten für die Zusatzbezeichnung "Akupunktur" den Akupunktur-Fachgesellschaften deutlich zu wenig erschienen - der internationale Standard liegt bei 300 bis 500 Einheiten - bietet die "Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur" (DÄGfA) inzwischen weiterführende Fortbildungszertifikate an, bis hin zum "Meister der Akupunktur".
"Wir raten den Patienten, sich entweder über die Akupunkturgesellschaften oder über die "Deutsche Schmerzliga" zu informieren, wo sie eine qualitativ hochwertige Therapie bekommen, denn unter qualitativ hochwertig verstehen wir nicht nur das Nadeln an sich. Zu einer professionellen Akupunkturbehandlung gehört ebenso die Untersuchung und das Gespräch mit dem Patienten, aus dem sich mitunter Hinweise auf weitere therapeutische Maßnahmen ergeben“, ergänzt Cegla.
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Quellen: dgschmerztherapie.de