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Montag, 6. Februar 2012

Studie belegt: Placebo und Ablenkung wirken bei Schmerzlinderung als getrennte Mechanismen

Archiv: Transaxiales PET-Schnittbild eines menschlichen Gehirns. | Copyright: Jens Langner, gemeinfrei


New York/ USA - Während Placebos Schmerzen dadurch lindern, dass sie die Erwartung von Linderung erzeugen, wirkt Ablenkung - etwa durch das Lösen eines Denksportaufgabe - in dem das Gehirn abgelenkt wird. Aufgrund gleicher Hirnaktivitätsmuster im dorsolateralen präfrontalen Cortex, der für Erinnerungen und das sogenannte Arbeitsgedächtnis zuständig ist, gingen Neurowissenschaftler bislang davon aus, dass beide Anwendungen dieselben Hirnprozesse nutzen. Eine aktuelle Studie widerlegt nun diese Vorstellung vom Placebo als übergeordnete kognitive Funktion und zeigt damit Medizinern eine noch effektivere Möglichkeit der Schmerzlinderung ohne den Einsatz von Medikamenten auf.

Wie Jason T. Buhle, Bradford L. Stevens und Jonathan J. Friedman von der Columbia University und Tor D. Wager von der University of Colorado in ihrer im Fachmagazin "Psychological Science", herausgegeben von der "Association for Psychological Science", veröffentlichten Studie aufzeigen, gelang es ihnen Schmerzen auf zwei Arten zu reduzieren: Entweder gaben sie den Probanden ein Placebo oder einer schwierige Erinnerungs-Denksportaufgabe zu lösen.

Als sie jedoch beide Methoden zusammen anwendeten, addierte sich der Grad der Schmerzlinderung der beiden Anwendungen. "Es gab keine Hinweise dafür, dass sich die beiden Methoden gegenseitig beeinflussten", so Buhle. "Dies deutet daraufhin, dass die jeweilige Schmerzlinderung auf unterschiedlichen Mechanismen beruht."

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In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler insgesamt 33 Teilnehmer: Zunächst wurden die Probanden Hitze ausgesetzt, die durch eine kleine Metallplatte auf die Haut übertragen wurde.

In einer ersten Sitzung wurden einige der Teilnehmer mit einer einfachen Handcreme behandelt, von der ihnen jedoch gesagt wurde, dass es sich um ein sehr wirksames aber sicheres Analgetikum, also Schmerzmittel, handele (Placebo). Die anderen Teilnehmer nutzen eine Creme, von der sie glaubten, dass es sich um eine gewöhnliche Handcreme handelte. Danach sollten sie die unterschiedlichen Schmerzintensitäten beurteilen, die ihnen angeblich zugefügt wurden, obwohl die Intensität in Wirklichkeit immer gleich blieb.

Dieselbe Aufgabe wurde den Testpersonen auch in einer zweiten Sitzung gestellt, während derer sie sich jedoch lediglich auf ein Kreuz auf einem Bildschirm konzentrieren sollten.

Die Aufgabe, also das Beschreiben der vermeintlich unterschiedlichen Hitzeintensitäten, sollte in der dritten Sitzung auch gelöst werden, während die Probanden eine Denksportaufgabe zu lösen hatten. Zuletzt wurden beide schmerzlindernden Techniken zugleich angewendet.

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass sowohl die Anwendung der Placebo-Creme als auch die Ablenkung durch die Denksportaufgabe die Probanden weniger Schmerzen verspüren ließ, als wenn sie lediglich auf das Kreuz blickten. In Kombination addierte sich der Effekt der beiden Anwendungen; weder interagierten sie miteinander noch wirkten sie sich störend oder abschwächend aufeinander aus. "Unsere Daten legen also die Einsicht nahe, dass der Placebo-Effekt keine Aufmerksamkeit oder Arbeitsgedächtnis benötigt."

Doch was ist mit den bisherigen Schlussfolgerungen anhand der bildgebenden neomedizinischen Verfahren? "Diese Verfahren sind großartig", erläutert Buhle. "Da aber jede Hirnregion viele unterschiedliche Aufgaben hat und erledigt, wissen wir anhand von Aktivitätsmustern nicht, welcher kognitive Vorgang diese Aktivität gerade antreibt. (...) Unsere Tests haben die Theorie über die Wirkungsweise von Placebos anhand der Beobachtung direkter Verhaltensweisen überprüft."

Für die Wissenschaftler ist das Ergebnis dieser Tests für die zukünftige Schmerzbehandlung eine viel versprechende Erkenntnis, wurden Placebos und Ablenkung bislang doch vornehmlich unabhängig voneinander eingesetzt, da man sich nicht sicher war, ob sich beide Methoden gemeinsam angewendet, nicht abschwächen oder sogar gegenseitig aufheben könnten. "Unsere Studie zeigt nun, dass sie gemeinsam eingesetzt werden können", so Buhle, "und so sogar ein Maximaleffekt erreicht werden kann, ohne das hierzu Medikamente eingesetzt werden müssen."

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Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / psychologicalscience.org

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