
Magnetar im galaktischen Zentrum: Die künstlerische Darstellung zeigt "PSR J1745-2900", einen Pulsar mit einem sehr starken Magnetfeld in unmittelbarer Umgebung zum superschweren Schwarzen Loch mit ungefähr viermillionenfacher Sonnenmasse. Die Radiomessungen des Pulsars lassen darauf schließen, dass ein sehr starkes Magnetfeld in direkter Nähe des zentralen Massemonsters existiert. | MPIfR/Ralph Eatough
Bonn (Deutschland) - Im Zentrum unserer Milchstraße haben Bonner Astronomen einen sogenannten Magnetar aufgespürt. Dieser rasch rotierende und extrem dichte Neutronenstern - ein sogenannter Pulsar - besitzt ein extrem starkes Magnetfeld und ermöglicht es den Forschern, die direkte Umgebung des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie zu untersuchen. Zugleich ist es den Astronomen zum ersten Mal gelungen, die magnetische Feldstärke um die Zentralquelle zu bestimmen. Dabei konnten sie zudem nachweisen, dass diese mit Magnetfeldern gefüttert wird, die zudem den Masseneinstrom in das Schwarze Loch regulieren und erklären so die beobachtete Strahlung dieser gewaltigen Schwerkraftfalle.
Wie kosmische Leuchttürme strahlen Pulsare äußerst präzise Radioblitze ab. Die gerade einmal rund 20 Kilometer durchmessenden Objekte eignen sich von daher in idealer Weise, um die Umgebung Schwarzer Löcher zu studieren. Aus diesem Grund war die Entdeckung eines solchen Pulsars im Zentrum unserer Milchstraße eines der Hauptziele der Pulsarastronomie in den vergangenen 20 Jahren. Im Herzen der Galaxis befindet sich nämlich das uns nächst gelegene superschwere Schwarze Loch mit der viermillionenfachen Sonnenmasse, Sagittarius A* (Sgr A*) genannt, erläutert die Pressemitteilung des die Studie leitenden Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIFR).
Wie die Wissenschaftler um Ralph Eatough aktuell in den Fachzeitschriften "Nature" (DOI: 10.1038/nature12499) und "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Letters" berichten, ließe sich ein Pulsar im galaktischen Zentrum etwa dazu nutzen, die Krümmung der Raumzeit in unmittelbarer Umgebung des Schwarzen Lochs zu messen und dabei zu überprüfen, ob Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie auch solch extremen Tests standhält. Bislang war diese Suche jedoch erfolglos, weshalb einige Forscher das Zentrum der Milchstraße auch schon zur Pulsar-freien Zone erklärt hatten.
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Nachdem Satelliten der US-Raumfahrtbehörde NASA im vergangenen Frühjahr den Strahlungsausbruch einer neuen Röntgenquelle in Richtung des galaktischen Zentrums mit der Aussendung von pulsierender Röntgenstrahlung entdeckt hatten, schlossen die Astronomen aus den Beobachtungsdaten, dass es sich tatsächlich doch um einen Magnetar - also um einen jungen Neutronenstern mit extrem starkem Magnetfeld - handeln musste.
"Sobald wir von der Entdeckung regelmäßiger Pulse im Röntgenbereich mit dem NuSTAR-Teleskop gehört hatten, haben wir das Effelsberger 100-Meter-Teleskop in Richtung des galaktischen Zentrums ausgerichtet", sagt Eatough. "Bei den ersten Beobachtungen war der Pulsar noch nicht eindeutig sichtbar. Beim zweiten Versuch aber erwies er sich im Radiobereich als recht aktiv und sehr leuchtkräftig".
Während zusätzliche Beobachtungen mit verschiedenen Radioteleskopen weltweit (Jodrell Bank, England; Very Large Array sowie Green Bank, beide USA; Australia Telescope, Parkes/Australien; Nançay, Frankreich) erlebten die Forscher dann weitere Überraschungen: "Wir haben die Radiohelligkeiten ausgerechnet und konnten kaum glauben, dass dieser Magnetar inzwischen so hell geworden war", berichtet Evan Keane vom Jodrell-Bank-Observatorium.
"Das Radioteleskop Effelsberg ist Anfang der 1970er-Jahre so gebaut worden, dass man auch Zugang zum galaktischen Zentrum hat. Und vier Jahrzehnte später wird der erste Radiopulsar im Herzen der Milchstraße mit Effelsberg entdeckt", zeigt sich Heino Falcke, Professor an der Radboud-Universität Nimwegen von den Ergebnissen fasziniert. "Manchmal brauchen Astronomen eben Geduld. Es war anstrengend, aber am Ende hatten wir Erfolg."

Das Radio-Observatorium Effelsberg. | Copyright: FrankLaumen.de
Der neu entdeckte Pulsar mit der Bezeichnung "PSR J1745-2900" gehört zu einer speziellen Gruppe von Pulsaren, den sogenannten Magnetaren. Diese Objekte besitzen extrem starke Magnetfelder in der Größenordnung von 100 Millionen Tesla - das entspricht ungefähr der 1000-fachen Stärke der Magnetfelder von normalen Neutronensternen oder dem 100-billionenfachen der Stärke des irdischen Magnetfeldes. Die Strahlung von Magnetaren ist sehr stark polarisiert. Misst man die Drehung der Polarisationsebene - verursacht durch ein von außen wirkendes Magnetfeld -, so lässt sich die Stärke des Magnetfelds in Richtung des Pulsars bestimmen.
Die Magnetfeldstärke in der direkten Umgebung des Schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum ist für Wissenschaftler eine wichtige Kenngröße. Das Massemonster verschluckt letztendlich Material aus seiner direkten Umgebung, hauptsächlich heißes ionisiertes Gas. Dieser Prozess wird als Akkretion bezeichnet. Die von dem einfallenden Gas erzeugten Magnetfelder können Struktur und Dynamik des Akkretionsflusses beeinflussen und ihn sogar blockieren.
Dank des neuen Pulsars haben die Forscher die Stärke des Magnetfelds dort gemessen, wo der Akkretionsfluss zur Zentralquelle einsetzt - die ersten Resultate deuten auf ein starkes und großskalig geordnetes Magnetfeld hin.
"Um die Eigenschaften von 'Sgr A*' verstehen zu können, müssen wir den Akkretionsprozess begreifen, mit dem das Gas in das zentrale Schwarze Loch transportiert wird", erläutert Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. "Bis jetzt blieb ein Parameter unbekannt, nämlich die Magnetisierung des Gases. Die aber ist entscheidend für die Struktur des Akkretionsflusses."
Wenn die Akkretion des von ionisiertem Gas erzeugten Magnetfelds bis hin zum Ereignishorizont des Schwarzen Lochs erfolgt, lässt sich auch die Strahlung von Radio- bis zu Röntgenwellenlängen erklären, die lange mit der Zentralquelle selbst in Verbindung gebracht wurde. Außerdem können sehr starke Magnetfelder direkt am schwarzen Loch den Akkretionsprozess unterdrücken. Aus diesem Grund "hungert" Sgr A* im Vergleich zu superschweren Schwarzen Löchern in anderen Galaxien.
Leider steht auch der neu gefundene Pulsar mit einer Umlaufperiode von mindestens 500 Jahren immer noch in zu großer Entfernung von der Zentralquelle, um die Struktur der Raumzeit direkt im Zentrum detailliert zu erforschen. Außerdem sind die Signale von Magnetaren sehr rauschbehaftet und damit eher ungenaue Uhren. "Im Idealfall möchten wir schneller rotierende Pulsare in geringerem Abstand vom Zentrum finden, um damit die Timing-Resultate noch genauer zu machen", sagt Eatough abschließend. "Der neue Pulsar lässt hoffen, dass uns das in Zukunft gelingt."
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Quelle: mpifr-bonn.mpg.de