
Der Jupitermond Europa. | Copyright: NASA/JPL/DLR
Pasadena (USA) - Auf dem von einer kilometerdicken Eisschicht bedeckten Jupitermond Europa, haben US-Wissenschaftler anhand der Daten der NASA-Raumsonde "Galileo" Hinweise auf aktive Plattentektonik entdeckt. Es wäre das erste Mal, dass diese, die Oberfläche von planetaren Körpern stets verändernde geologische Aktivität auf einem anderen Objekt als der unserer Erde nachgewiesen werden könnte. Die Entdeckung hat auch bedeutende Auswirkungen auf die potentielle Lebensfreundlichkeit des Jupitermondes.
Die mit 40 bis 90 Millionen Jahren ungewöhnlich junge Oberfläche von Europa stellt die Wissenschaft schon lange vor ein Rätsel: Während die Prozesse selbst nicht bekannt waren, steht jedoch schon lange fest, dass irgendein Mechanismus die existierende Kruste Europas recyceln und an anderer Stelle erneuern muss. Bislang fehlten jedoch jegliche Erkenntnisse darüber, wo und die dies vor sich geht.Wie die Planetengeologen Simon Kattenhorn von der University of Idaho und Louise Prockter vom Applied Physics Laboratory an der Johns Hopkins University aktuell im Fachjournal "Nature Geoscience" (DOI: 10.1038/ngeo2245) berichten, haben sie anhand der Galileo-Daten nun doch ungewöhnliche Grenzschichten im von zahlreichen Furchen durchzogenen Eispanzer des Mondes entdeckt, die plattentektonische Vorgänge belegen.
"Seit Jahren haben wir darüber gerätselt, wie das vergleichsweise junge Gelände auf Europa entstehen kann, aber wir haben es nicht herausbekommen", so Prockter. "jetzt glauben wir aber, dass wir die Antwort gefunden haben."
Bei der Plattentektonik handelt es sich um die wissenschaftliche Theorie darüber, dass die äußerste Schicht der Erde aus sich von- und gegeneinander bewegenden Platten oder Blöcken besteht. Auf diese Weise lassen sich die Entstehung von Bergen, Vulkanen und Erdbeben erklären.
Die Oberfläche eines der vier großen Jupitermonde ist von Rissen und Graten überzogen, die an vielen Stellen Hinweise auf eine Ausdehnung der dazwischen liegenden Platten geben, wenn etwa frisches Eis aus tiefer liegenden Schichten neuentstehende Lücken auffüllt. Auf ähnliche Weise dehnt sich auch der irdische Ozeanboden aus.
Während sich auf der Erde an einen Stellen neues Oberflächenmaterial bildet - etwa entlang des Mittelozeanischen Rückens, wird es an anderer Stelle, den sogenannten Subducktionszonen, auch wieder zerstört bzw. durch das Abgleiten einer tektonischen Platte unter eine andere, wieder ins Erdinnere transportiert und hier geologisch recycelt.
Doch obwohl es auf Europa eindeutige Hinweise auf eine Ausdehnung der Oberfläche durch frisches Material gibt, war bislang völlig unbekannt, wie all dieses neue Material aufgenommen werden kann, ohne dass Material an anderer Stelle verschwindet bzw. recycelt wird.

Schaubild zur Plattentektonik auf Europa, für die NASA-Wissenschaftler nun deutliche Hinweise im Eispanzer der Jupitermondes gefunden haben (Illu.). | Copyright: Noah Kroese, I.NK
In einer Art Puzzlespiel haben die beiden Forscher nun die vorhandenen Eisplatten der Europa-Oberfläche neu angeordnet und entdeckt, dass nahezu 20.000 Quadratkilometer Oberfläche in den nördlichen Breitengraden des Mondes regelrecht fehlen.
Zudem fanden Sie auch Hinweise darauf, dass dieses "fehlende Gelände" sich unter eine zweite Oberflächenschicht bewegt hatte - ein Prozess also, wie er auch entlang der tektonischen Grenzen auf der Erde beobachtet werden kann.
Auf der oberen Platte fanden die Forscher Eisvulkane, die möglicherweise durch das Aufschmelzen und die Absorption der antauchenden Platte hervorgerufen werden, sowie fehlende Berge und Grate entlang der potentiellen Subduktionszone, was darauf hindeutet, dass hier Material ins Innere des Mondes geschoben und nicht zu Bergen aufgefaltet wird.

Die Forscher glauben nun, dass das so verschluckte Gelände von der bis zu 30 Kilometer dicken Eisschicht Europas absorbiert wurde, statt durch die Eisschicht hindurch direkt in den darunter verborgenen Wasserozean zu brechen.
"Wenn Europa Plattentektonik besitzt, könnte dieser Mond sehr viel erdähnlicher sein als wir uns das bislang vorgestellt haben", erläutert Kattenhorn. "Diese Entdeckung würde den Jupitermond nicht nur zu einem der geologisch interessantesten Körper im Sonnensystem machen, sie würde auch einen Austausch von Material aus dem Innern mit der Oberfläche nahelegen. Auf diesem Weg könnte Material aus dem Innern des verborgenen Ozeans auf die Oberfläche des Mondes gelangen - und umgekehrt. Dies wiederum hätte bedeutende Auswirkungen auf Europa als potentiell lebensfreundliche Welt."
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Quellen: NASA