
Oxford/ England - Britische Neurowissenschaftler haben zur intensiven Erforschung möglicher Auswirkungen der alltäglichen Nutzung moderner Technologien aufgerufen, für die sie schon jetzt Hinweise gefunden haben wollen und die sie als eine der "größten Bedrohungen der Menschheit" bezeichnen.
Die Neurowissenschaftlerin Susan Greenfield von der "Oxford University" hat sich mit einem Aufruf an die britische Regierung gewandt und mögliche Gefahren, wie sie von modernen Technologien ausgehen könnten, als "größte Bedrohung für die Menschheit nach dem Klimawandel" eingestuft. In ihrer Petition ruft die Wissenschaftlerin Regierungen und private Technologieunternehmen dazu auf, gemeinsam die Auswirkungen von Computerspielen, Internetnutzung und sozialen Online-Netzwerken wie "Facebook" und "Twitter" auf das menschliche Hirn und Bewusstsein zu erforschen.
Laut einem Bericht der britischen Tageszeitung "The Guardian", bezeichnet Greenfield die Auswirkungen von Langzeitnutzung des Computers auf das Gehirn als "Bewusstseinsveränderung" (mind change). Allerdings glauben die meisten ihrer Kollegen, dass es derzeit noch zu früh sei, um die teilweise bereits nachgewiesenen Effekte als besorgniserregend zu bezeichnen.
"Wir sollten diese Angelegenheit ernst nehmen, statt sie weiterhin unter den Teppich zu kehren", zitiert die Zeitung die Wissenschaftlerin. "Wir sollten anerkennen, dass moderne Technologien eine noch nie zuvor dagewesene Veränderung unser aller Leben mit sich bringen und wir sollten der Frage auf den Grund gehen, ob diese Veränderung gut oder schlecht ist."
Laut der Forscherin ruft alles, was wir tun, Veränderung in unserem Hirn hervor und Dinge, die wir besonders oft tun, rufen wahrscheinlich Langzeitveränderungen hervor. Wie jedoch die moderne Alltagstechnologie unser Hirn beeinflusst und welche Konsequenzen dies hat, sei noch viel zu wenig erforscht.
Während mögliche Negativauswirkungen zwar nicht die Existenz unseres Planeten aufs Spiel setzten, könnten sie jedoch die Art und Weise bedrohen, wie wir Menschen uns in Zukunft verhalten werden, befürchtet Greenfield.
Zu den positiven Auswirkungen modernder Alltagstechnologien, so die Neurowissenschaftlerin auf dem "British Science Festival" an der "Aston University" in Birmingham, gehöre unter anderem eine Steigerung des durchschnittlichen Intelligenzquotienten und eine schnellere Verarbeitung von Informationen. Allerdings könnte die Suche nach Fakten via Internet sich durchaus auch negativ auf Lernfähigkeit von Personen auswirken. Computerspiele hingegen, in welchen Charaktere über mehrere Leben verfügen, könnten Rücksichtslosigkeit fördern.
"Wir sollten sehr vorsichtig sein, welchen Preis wir für etwas bezahlen, damit am Ende die Nachteile schlussendlich nicht die Vorteile überwiegen". Auch Kollegen, wie die Neurowissenschaftlerin Sarah-Jayne Blakemore vom "University College" in London stimmen mit Greenfield darin überein, dass weitere Forschungen unbedingt notwendig sind: "Wir wissen noch überhaupt nichts darüber, wie unser Gehirn durch Videospiele, soziale Netzwerke und Ähnliches beeinflusst wird", so die Autorin des Buches "The Learning Brain" (dt.: "Wie wir lernen: Was die Hirnforschung darüber weiß", s. Buchtipps). Bisherige Untersuchungen über die Auswirkungen von Videospielen bezögen sich hauptsächlich auf Studien an erwachsenen Probanden und ergaben hier allerdings erstaunlicherweise meist positive kognitive Effekte.
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Maryanne Wolf von der "Tufts University" in Massachusetts verweist hingegen auf den Umstand, dass Gehirnverbindungen durch das Lesen von Büchern und das Nachdenken über deren Inhalt trainiert und gefördert werden - eine Eigenschaft, die durch den meist schnellen und kurzweiligen Gebrauch von Computern verloren gehen könnte. "Es dauert eine bestimmte Zeit, um Informationen tiefgründig zu überdenken. Die moderne Technologie zwingt bzw. verführt uns jedoch dazu, schnell zur nächsten Aufgabe oder Ablenkung zu wechseln. Ich befürchte, dass die Fähigkeit etwas tiefgründig rekapitulieren zu können, bei Erwachsenen schrumpfen und sich bei jungen Menschen überhaupt nicht mehr vollständig ausprägen könnte."
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Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / guardian.co.uk