
Zweigeteilte Ansicht des Erdenmonds: Die obere Hälfte zeigt die rechteckige Schwerkraftanomalie (rot markiert), die das "Meer der Stürme" einrahmt, projiziert auf die sichtbare Mondoberfläche. Die untere Hälfte zeigt eine topografische Karte des Mondes, auf der tiefe Regionen bläulich und Höhenlagen rötlich gefärbt abgebildet werden. Auch hier zeichnen sich das Rechteck ansatzweise und in Fortführung der Schwerkraftanomalien fort. | Copyright: NASA/Colorado School of Mines/MIT/Goddard Space Flight Center/Scientific Visualization Studio
Golden (USA) - Anhand der Daten der NASA-Mondsonde "Gravity Recovery and Interior Laboratory" (GRAIL), haben Wissenschaftler ein Rätsel gelöst, das wohl schon so alt ist wie der Mond selbst. Während bislang das sogenannte "Meer der Stürme" (Oceanus Procellarum) für das Einschlagskraterbecken eines Asteroiden gehalten wurde, deuten die neuen Messungen der Region und die Entdeckung einer darunter verborgenen nahezu rechteckigen gewaltigen Schwerkraftanomalie nun daraufhin, dass die unregelmäßig geformte dunkle Fläche das Ergebnis urzeitlicher Grabenbrüche ist.
Die dunkle Region auf der der Erde zugewandten Mondseite ist den meisten Betrachtern als Teil des sogenannten Mondgesichts bzw. als Teil des "Mannes im Mond" bekannt und erreicht eine Ausdehnung von bis zu 2.600 Kilometern.
"Die Entdeckung der nahezu rechteckigen Schwerkraftanomalie war für uns eine völlige Überraschung", gesteht der Hauptautor der aktuell im Fachjournal "Nature" (DOI: 10.1038/nature13697) erschienenen Studie, Jeff Andrews-Hanna von der Colorado School of Mines ein. "Anhand der Gradienten der GRAIL-Schwerkraftdaten können wir nun erstmals Strukturen vollständig erkennen, die bislang anhand von Oberflächenstrukturen nur ansatzweise vermutet werden konnten (s.Abb.o.)."
Tatsächlich sind es genau die rechtwinkligen Ecken und nahezu geradlinig verlaufenden Seiten dieses Musters, die ein Asteroideneinschlag und einen daraus resultierenden Krater als Erklärung für das "Meer der Stürme" nun ausschließen. Schließlich würde ein solcher Einschlagskrater nicht rechteckig sondern rund ausfallen. Stattdessen sind bzw. waren es wohl viele eher Prozesse im Untergrund der heutigen Mondoberfläche, die die Entwicklung dieser Region geprägt haben.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ + + HIER können Sie unseren täglichen Newsletter bestellen + + +
"Nach und nach hat sich diese Region abgekühlt und dabei zusammengezogen. Die dabei entstehenden Brüche und Risse gleichen jenen, die in trocknendem Schlamm entstehen, nur eben in einem viel größeren Maßstab", erläutern die Forscher.
"Wir interpretieren die von GRAIL entdeckten Schwerkraftanomalien als Teil einen lunaren Magma-Systems, das einst Lava aus dem Inneren des Mondes mittels urzeitlicher Vulkane an die Oberfläche transportiert hatte."
Die Oberfläche der erdzugewandten Seite des Mondes wird von der Procellarum-Region dominiert, die wiederum von leichten Erhebungen, einer einzigartigen Zusammensetzung und zahlreichen urzeitlichen Vulkanebenen geprägt ist. Unterhalb dieser dunklen vulkanischen Ebenen befinden sich Grabenbrüche, die erst jetzt mit Hilfe der Schwerkraftdaten von GRAIL entdeckt werden konnte. "Diese einst von Lava gefluteten Grabenbrüche sind einzigartig auf den Mond und könnten einst ähnlichen Regionen auf der Erde, dem Mars und der Venus gleichen haben"

Unser Mond im sichtbaren Licht (l.), in einer topografischen Ansicht, in der tiefere Regionen blau und Höhenlagen rot gefärbt sind (m.) und unter Abbildung der von Grail gemessenen Schwerkraftgradienten (r.) | Copyright: NASA/Colorado School of Mines/MIT/JPL/Goddard Space Flight Center
Alternativ könnte die aktuelle Daten auch dadurch erklärt werden, dass sich die Region einst als das Ergebnis von Umwälzungsprozessen im Inneren des Mondes gebildet haben, die dann zu einer erhöhten Konzentration von hitzeproduziernden radioaktiven Elementen in Kruste und Mantel dieser Mondregion führten.
Zugleich stellten die Forscher auffallende Ähnlichkeiten zwischen dem rechtwinkligen Muster auf dem Erdenmond und Strukturen in der Südpolarregion des eisigen Saturnmondes Enceladus fest. Beide Muster, so erläutern die Forscher abschließend, stehen wohl in Verbindung mit vulkanischen und tektonischen Prozessen.
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Sonden finden geradlinige Schwerkraftanomalien auf dem Mond 6. Dezember 2012
grenzwissenschaft-aktuell.de
Quelle: NASA, mit.edu, nature.com