
Zwei Sonnen am Himmel eines Planeten in einem Doppelsternsystem (Illu.). | Copyright: NASA/JPL-Caltech/Univ. of Ariz.
Medellin (Kolumbien) - Ein Team internationaler Astronomen unter der Leitung von Wissenschaftlern der kolumbischen Universidad de Antioquia, der University of Texas und der New Mexico State University haben einen Mechanismus entdeckt, durch den Planetensysteme um Doppelsterne potentiell lebensfreundlicher werden als ihre Gegenstücke im Umfeld von Einzelsternen wie etwa unsere Sonne. Die Entdeckung könnte eine Modifikation der Schätzungen über die Anzahl der potentiell lebensfreundlichen Planeten in unserer Heimatgalaxie der Milchstraße sowie in Frage kommender potentiell besonders lohnender Ziele bei der Suche nach außerirdischem Leben erfordern.
Lebensfreundlichkeit, die sogenannte Habitabilität, ist jener Umstand, den ein Planet erfüllen muss, damit er von Astrobiologen als potentielle Heimat von Leben in Betracht gezogen wird. Diese Lebensfreundlichkeit hängt hauptsächlich von der Menge und Art des Lichts und somit der Energie ab, die ein Planet von seinem Zentralgestirn erhält. Die sogenannte "habitable Zone" markiert jene Abstandregion um einen Stern, innerhalb derer sich also ein Planet befinden muss, damit aufgrund gemäßigter Oberflächentemperaturen Wasser in flüssiger Form und damit die Grundlage zumindest für erdartiges Leben, existieren kann.
Neben dieser Position innerhalb dieser "grünen Zone" muss ein Planet aber auch noch weitere Eigenschaften aufweisen, damit er als lebensfreundlich gilt. Zu diesen Eigenschaften gehört - ebenfalls nach irdischem Vorbild - eine dichte und feuchte Atmosphäre, die Wärme halten und in der Wasser auf der Oberfläche kondensieren kann.
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"Eine solche Atmosphäre jedoch aufrecht zu erhalten ist für einen noch jungen Planeten gar keine so leichte Aufgabe", erläutern die Forscher. "Gerade in den Kindertagen von stellaren und planetaren Systemen, wird der Raum um die Zentralgestirne von hochenergetischer Strahlung im extremen Ultraviolettbereich und von Röntgenstrahlung überflutet, die von dem selbst noch jungen und vergleichsweise schnell rotierenden Sternen ausgeht."
Auch unsere Sonne - ein vergleichsweise mittel alter Stern - drehte sich in ihrer stellaren Jugend noch etwa fünf Mal schneller als heute. Mit zunehmendem Alter nimmt jedoch auch die Rotationsrate der Sterne und damit die Aktivität ihrer Magnetfelder ab und sie werden magnetisch ruhig und somit zugleich auch lebensfreundlicher für die sie umkreisenden Planeten. Auch in unserem eigenen Sonnensystem finden sich mit Venus und Mars gleich zwei Planeten, die wahrscheinlich Opfer dieser ungestümen Jugendjahre der Sonne wurden, während die Erde diesen Lebenstest bestand.
In diesem Prozess spielt wahrscheinlich das Magnetfeld der Planeten, das die Oberfläche vor der schädlichen stellaren und kosmischen Strahlung schützt, eine entscheidende Rolle. Während die Venus der Sonne wahrscheinlich zu nah lag, nur schwach magnetisch abgeschirmt war und ihre Atmosphäre somit über die Jahrmilliarden hinweg aufgebläht wurde und erodierte, wurde die Atmosphäre des Mars aufgrund dessen geringerer Masse und damit einhergehend geringer Schwerkraft von den Sonnenwinden nach und nach und ebenso unwiederbringlich ins All gerissen.
Auch Planeten in sogenannten binären Sternsysteme, also Planeten die nicht eine sondern sozusagen zwei "Sonnen" mit einem gemeinsamen Massezentrum umkreisen, sind ähnlichen Umständen wie obig beschrieben ausgesetzt. Die Forscher um Jorge Zuluaga and Pablo Cuartas von der Universidad de Antioquia und Paul A. Mason von der University of Texas at El Paso (UTEP) glauben nun jedoch, einen Mechanismus gefunden zu haben, wie er sich nur in solchen Binärsystemen und nicht im Umfeld von Einzelsternen findet und der in solchen Doppelsternsystemen die Bedingungen für die Habitabilität steigern aber auch reduzieren kann.
In ihrer vom Fachjournal "Astrophysical Journal Letters" zur Veröffentlichung akzeptierten Studie erläutern die Wissenschaftler, dass dieser Mechanismus einige bekannte Doppelsternsysteme zu den idealen Orte für die Suche nach außerirdischem Leben machen könnte.
Der von dem Team beschrieben Mechanismus ist vergleichsweise einfach: Die Sterne eines binären Systems ziehen sich gegenseitig in Richtung ihres gemeinsamen Masseschwerpunktes an und verformen sich dabei beidseitig aufgrund der Gezeitenkräfte. Auch schon vor den Untersuchungen der Forscher war bekannt, dass derartige Gezeitenkräfte die Rotation der beteiligten Körper abbremsen können. Das beste Beispiel hierfür ist der Erdmond, dessen Rotation sich aufgrund der Gezeitenkräfte der Erde derart verlangsamte, dass er sich heute mit knapp 27 Tagen ebenso langsam dreht wie er benötigt, um die Erde einmal zu umrunden und aus diesem Grund uns immer die gleiche Seite zeigt. Diese sogenannte Gezeitensynchronisation ist ein bekanntes Merkmal von Monden, ihren Sternen nahen Exoplaneten und eben auch von den beiden "Sonnen" in binären Sternsystemen.

Diagramm: Mit zunehmendem Alter reduziert sich auch die Rotationsrate und damit die magnetische Aktivität (Sonnenflecken und Eruptionen) eines Sterns. | Quelle: http://amazingnotes.com/2011/06/05/how-astronomer-calculate-the-age-of-a-star
Wenn sich nun ein binäres System schon von Beginn an entsprechend synchronisiert, könnte auch seine magnetische Aktivität von Beginn an deutlich schwächer sein. Die jungen Sterne eines Doppelsternsystems könnten also, was ihre Rotation und magnetische Aktivität anbetrifft, "erwachsenen" und damit ruhigeren Sternen gleichen - ein Effekt, der von den Autoren der Studie als "rotational aging" (rotationsbedingtes Altern) bezeichnet wird.
Die Vorteile dieses rotationsbedingten Alterns liegen dabei auf der Hand: Planeten würden deutlich weniger hochenergetische und schädigende Strahlung abbekommen und könnten somit auch einfacher ihre - so vorhanden - dichtere Atmosphäre beibehalten. "Hätte sich ein solcher Vorgang in unserem Sonnensystem abgespielt, so wären Venus und Mars vielleicht heute noch lebensfreundlich", vermuten die Forscher.
Ihre Theorie haben die Astrophysiker dann auch auf sechs bereits bekannte binäre Systeme mit bereits bekannten Planeten übertragen, die mit dem NASA-Weltraumteleskop "Kepler" entdeckt wurden: Kepler 16, Kepler 34, Kepler 35, Kepler 38, Kepler 47, und Kepler 64.
Mindestens drei dieser Systeme - Kepler 34, Kepler 47, und Kepler 64 - könnten demnach sehr lebensfreundlich sein, da beide Sternkomponenten gezeitenmäßig synchronisiert sind und so ihre gemeinsame magnetische Aktivität auf das Maß eines Einzelsterns vergleichbaren Alters reduziert ist.
Die Zentralgestirne im System "Kepler 34" (...wir berichteten) könnten dann sogar von mehr als einem Planeten innerhalb ihrer habitablen Zone umkreist werden. Aufgrund der nahezu identischen (sonnenähnlichen) Sterne des Systems, deren genau richtigem Abstand zueinander und ihrer exzentrischen Umlaufbahnen könnte die "grüne Zone" dieses Systems sogar gänzlich frei von schädlichen Röntgenstrahlen und extremer Ultraviolettstrahlung sein - und das sozusagen "schon von Geburt an".
Dennoch gibt es auch angesichts der binären Systeme auch einige Beispiele, in denen sich aufgrund dichter Umlaufbahnen und Sternkomponenten mit geringer Masse der beschriebenen Effekt auch umkehren und die Rotation der Sterne beschleunigen könnte. "In einem solchen Fall blieben diese Sterne sozusagen auf 'ewig magnetisch aktiv jung' und dauerhaft lebensfeindlich. Ein Beispiel für ein solches System ist demnach das System "Kepler 16", in dem Astronomen zuvor Planeten innerhalb der klassischen habitablen Zone entdeckt hatten (...wir berichteten). "Auch wenn diese Planeten ihre Sterne innerhalb deren grüner Zone umkreisen, so handelt es sich wahrscheinlich doch um Felsplaneten ohne die für das Leben notwendigen Atmosphären - vergleichbar mit Venus und Mars in unserem Sonnensystem."
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Quelle: udea.edu.co