
Berlin/ Deutschland - Nachdem Schulmediziner und Skeptiker-Organisationen in Großbritannien auf breiter Front die Einstellung von Zahlungen der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) für homöopathische Arzneimittel betreiben, wollen auch deutsche Politiker entsprechende Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen zukünftig untersagen. Ungewöhnlich gerade für die derzeitige politische Lage: SPD und CDU scheinen sich in diesem Anliegen zunehmend einig zu werden.
"Man sollte den Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen", sagte Karl Lauterbach, SPD-Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestags, gegenüber dem Magazin "Spiegel" und das Blatt führt weiter aus: "Die CDU hätte diesen Vorstoß zurückweisen können, was sich angesichts der Beliebtheit der Homöopathie angeboten hätte - doch CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn tat das Gegenteil."
Die CDU-Fraktion sei offen dafür, den gesetzlichen Kassen das Bezahlen homöopathischer Therapien zu verbieten, so der Politiker gegenüber der "Berliner Zeitung" (BZ): "Wir haben Wahltarife für Homöopathie seinerzeit auf Wunsch von SPD und Grünen eingeführt. Sollte die SPD veränderungsbereit sein, können wir sofort darüber reden."
"Die Grünen" hingegen lehnen laut der BZ eine generelle Herausnahme von Naturheilverfahren aus der gesetzlichen Krankenversicherung dagegen ab. Fraktionschefin Renate Künast wird mit den Worten zitiert: "Die pauschale Kritik verkennt, dass selbst die Schulmedizin in vielen Fällen auf die industrielle Nachahmung vieler Heilmittel zurückgreift, die es in der Natur kostenlos gibt." Zudem stünden die Kosten für Homöopathie in keinem Verhältnis zu den gigantischen Summen, die für Schulmedizin ausgegeben würden. Wer die Kosten im Gesundheitswesen dämpfen wolle, sollte sich dort um die großen Mitnahmeeffekte kümmern, die keinen praktischen Nutzen für die Patienten haben, so die frühere Verbraucherschutzministerin.
Ähnlich argumentiert auch der britischen Homöopathenverband "British Homeopathic Association" (BHA, britishhomeopathic.org) und rechnet vor, dass der vom staatlichen Gesundheitsdienst "NHS" getragene Anteil zur Finanzierung homöopathischer Arzneimittel und Anwendungen im Vergleich zum Gesamtbudget verschwindend gering ausfällt. Dieses Budget liegt bei rund 100 Milliarden Pfund. Von dieser Summe wendet der NHS 466 Millionen Pfund alleine für die konventionelle Behandlung von Nebenwirkungen schulmedizinischer Mittel auf. Rund 300 Millionen werden für Beratung und Management des Dienstes benötigt. Für homöopathische Anwendungen, die laut BHA mit großem Erfolg auch gegen besagte Nebenwirkungen zum Einsatz kommen, gibt der "National Health Service" gerade einmal 4 Millionen Pfund aus. Am Beispiel des alternativmedizinischen "Tunbridge Wells Homeopathic Hospital", dass vom NHS jährlich mit "nur" 196.000 Pfund unterstützt werde, bedeutet dies einen Anteil am Gesamtetat des NHS von 0,0002 Prozent.
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Auch in Deutschland zeigt sich laut dem "Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte" (dzvhae.com) ein ähnliches Bild. Hier betrugen die Ausgaben für Arzneimittel im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) 2009 28 Milliarden Euro und damit etwa 17 Prozent der Gesamtausgaben der GKV. Für homöopathische Arzneimittel im Bereich GKV wurden 2009 rund 25 Millionen ausgegeben - also etwa 1 Promille. Die Gesamtausgaben für ambulante Versorgung zulasten der GKV betrugen 2009 26 Milliarden Euro und damit etwa 15 Prozent der Gesamtausgaben der GKV. Die Ausgaben für homöopathische ambulante Versorgung im Bereich GKV lagen bei 7 Millionen Euro - also etwa 0,25 Promille. Von etwa 140.000 in vertragsärztlichen Praxen in Deutschland niedergelassenen Ärzten haben etwa 7.000 Ärzte eine Zusatzbezeichnung Homöopathie - also etwa 0,5 Prozent.
Zudem widerspricht der DZVHAE einer Grundaussage des aktuellen Spiegel-Leitartikels mit dem Titel "Homöopathie - Die große Illusion" (Ausg. 12.7.2010) "dass der Nutzen von Homöopathie nicht belegt sei, und dass es sich um eine Scheintherapie handele" und erklärt, dass "die ganz überwiegende Zahl von Doppelblindstudien zu diesem Thema eine Wirkung der Homöopathie belegt." Zudem zeige die Versorgungsforschung ((Charité-Studie, PEK Schweiz), "dass die Homöopathie in der Praxis effektiv und kostengünstig ist". Nicht nur aus diesem Grunde sei der Vorwurf einer Placebobehandlung nicht haltbar.
Laut "Berliner Zeitung" habe sich das bundesdeutsche Gesundheitsministerium in der aktuellen Diskussion bislang noch nicht geäußert.
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Quellen: grenzwissenschaft-aktuell.de / spiegel.de / britishhomeopathic.org / berlinonline.de